«Am Morgen des 24. Februars schliefen wir alle noch. Mein Bruder rief mich an und sagte mir, ich solle meine Sachen packen und zur Metro laufen, um Schutz zu suchen, er sagte, der Krieg habe begonnen. Zuerst dachte ich, er mache Witze, denn von dort, wo wir wohnten, würde es mindestens zwei Stunden dauern, um die Metro zu erreichen.»
Kateryna und mit ihr viele andere konnten es zuerst kaum glauben. Schwer zu fassen ist es bis heute: Bis Ende Januar 2023 wurden in der Ukraine 2.631 Bildungseinrichtungen beschädigt und 420 zerstört. Die Lösung ist Online-Unterricht, doch die Partner von Plan International schätzen, dass in den letzten drei Monaten des Jahres 2022 mindestens die Hälfte aller Online-Kurse ausgefallen sind.
So auch die von Kostya, dem 11-jährigen Sohn von Kateryna, die nun in einem Unterbringungszentrum nahe der Grenze zu Moldawien leben. Kateryna erzählt: «Hier können Stromausfälle bis zu 16 Stunden dauern, und Kostya kann nicht am Online-Unterricht teilnehmen. Manchmal wird der Strom erst um Mitternacht wiederhergestellt, und ich wecke ihn, damit er wenigstens zwei Stunden lang bis 2 Uhr morgens lernt. Doch er verlor die Motivation für die Schule. Er sagte mir immer wieder, dass er nicht lernen muss, weil Krieg herrscht und er nicht wisse, ob er morgen wieder aufwachen wird oder nicht.»
Plan International und ihre Partner setzen sich in der Ukraine und den Nachbarländern für die geflüchteten Kinder und Jugendliche ein, indem sie Familien zum einen finanziell unterstützt, zum andern nicht nur Lernmaterialien, sondern auch psychologische Unterstützung bietet.
Die Familie lebte früher in der Oblast Charkiw, einer Region im Osten der Ukraine, die an Russland grenzt. Seit Februar 2022 ist die Region Schauplatz schwerer Kämpfe, Raketen- und Artillerieeinschläge, die zu weitreichenden Zerstörungen führen: «Eines Tages sahen wir, wie eine Rakete in einem der Wohnblocks neben uns einschlug. Sie zerstörte die 4. und die 5. Stockwerke. Wir rannten in Panik schreiend auf die Strasse, und zufällig kam eine Gruppe von Freiwilligen vorbei. Sie sahen uns alle fünf mit einer kleinen Tasche, die wir nur mit ein paar Kindersachen und einem einzigen Spielzeug und Kinderrucksack füllen konnten. Sie nahmen uns mit in die Fremde.
Mein jüngerer Sohn [am 25. Februar zwei Jahre alt] ist noch zu jung, um ganz zu verstehen, was vor sich ging, aber er schien verwirrt zu sein, warum wir immer wieder in den Keller hinunterliefen. Aber mein ältester Sohn Kostya ist 11 Jahre alt und konnte alles sehen und fühlen.» Inzwischen hat Kostya andere Kinder kennen gelernt, mit denen er Fussball spielen kann. Sein Trainer aus Charkiw hat ihm ein Paar Torwarthandschuhe geschickt, um seine Laune zu heben, während er von zu Hause weg ist, und er war sehr glücklich, diese zu erhalten. «Er hat hier einige Freunde gefunden, aber es ist nicht dasselbe wie in seiner Heimat.»
Katerynas Mann ist bei ihr, aber ihr Bruder und ihre Eltern sind in Charkiw geblieben. «Wir sind dankbar für die Unterstützung, die wir von internationalen Organisationen erhalten, sei es in Form von Lebensmitteln oder Kleidung. Natürlich ist die finanzielle Unterstützung am nötigsten, denn mein Mann ist der Einzige, der arbeitet, und sein gesamtes Einkommen wird entweder für den Kauf von Lebensmitteln oder für Medikamente für meine behinderte Schwester verwendet. Wir haben unser ganzes Leben hinter uns gelassen.»