Dieser abgegrenzte Bereich ist unter den gegebenen Umständen sehr lern-und kinderfreundlich eingerichtet. Schwer vorstellbar, wenn man es nicht mit eigenen Augen gesehen hat. Mich überkommt ein mulmiges Gefühl. Ich denke an meine Nichten, wie oft über die Schule gejammert wird und sollte nicht vergleichen, aber vergleiche trotzdem die Umstände, unter welchen diese Kinder lernen sollten. Ich versuche meine Emotionen zu unterdrücken, doch Riley hat meine wässrigen Augen schon längst bemerkt und erkundigt sich mit einem mitfühlendem «Are you okay?». Oh je, jetzt bloss nicht unprofessionell erscheinen Emina, schliesslich wartet eine ganze Delegation unseres Plan Beirut Büros und LOST-Mitarbeitern vor dem Zelteingang. Die ausserordentlich motivierte Lehrerin reisst mich aus dem traurigen Gedankenstrom, als sie ein Lied in Englischer Sprache anstimmt und ich «I make a Pizza for me and you» mitsinge, fasziniert von ihrer Unterrichtsweise und ihrer Persönlichkeit.
Das war der einzige Unterricht direkt in den Camps. Als nächstes besuchen wir eine Schule in Baalbek. Wir sprechen mit der Sozialarbeiterin über ihre Arbeit, über die mentale Gesundheit der Kinder und mit welcher Hingabe sie dafür kämpft, dass die persönlichen Erlebnisse der Kinder aufgearbeitet werden. «Ich will, dass sich die Kinder hier sicher, geliebt und willkommen fühlen. Es ist wichtig, ihr Selbstvertrauen zu stärken und Themen wie Krieg anzusprechen, ihnen beizubringen ihre Gefühle zu äussern», erzählt sie. Krieg, Flucht und Unsicherheit sollten eine unbeschwerte Kindheit nicht überschatten, in der wir uns nur auf eines konzentrieren sollten: einfach nur Kind zu sein. Kind bedeutet, lernen und wachsen, zur Schule gehen dürfen.
Erinnerungen an meinen Neuanfang
Es war Frühling 1993 als ich im Garten unserer Pfarrersfamilie in Zürich-Schwamendingen mit einem Flechtkorb im Arm auf Ostereiersuche ging. Meine Familie und ich bewohnten die Dachgeschosswohnung dieses Hauses in Waldnähe der Stadt Zürich. Die Monate zuvor waren wir zu viert vom Bosnienkrieg in die Schweiz geflüchtet. Es war das erste Mal nach dem Verlassen unserer Heimat, dass ich mich sicher und zuhause fühlte. Das Foto mit dem Flechtkorb in der Hand hängt in meiner Wohnung und erinnert mich an die glückliche Kindheit in der Schweiz. Ich kann aus meiner persönlichen Erfahrung schildern, wie schwierig sich das Aufarbeiten von Kindheitstrauma im Erwachsenenalter gestalten kann. Wir alle sind in irgendeiner Art und Weise emotional den Geschehnissen unserer frühen Lebensjahre ausgesetzt, manche mehr, andere weniger.
Meine jungen Eltern und ich waren vom Krieg traumatisiert, mein Vater hatte mit den Folgen seiner Zeit im KZ zu kämpfen. Es ist besonders schmerzlich, die Familie nicht in der Nähe zu haben, in einem fremden Land auf sich allein gestellt zu sein.