Plan International begrüsst die Berichte über das Waffenstillstandsabkommen im Gazastreifen. Wir fordern alle Parteien auf, sich zu verpflichten, alle notwendigen Massnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass dieser Waffenstillstand dauerhaft und nachhaltig ist und zu einem dauerhaften Frieden führt.
Die Einigung stellt einen Moment der Hoffnung dar nach über 15 Monaten unvorstellbarer Verluste. Dennoch dürfen wir nicht vergessen, dass die Lage der Kinder im Gazastreifen weiterhin düster ist. Mindestens 17.580 Kinder und 12.050 Frauen wurden in nur 15 Monaten in Gaza getötet und über 21.000 Kinder in Gaza haben konfliktbedingte Verletzungen erlitten - 5.230 Kinder (25 Prozent) benötigen eine umfangreiche Rehabilitation mit einer hohen Wahrscheinlichkeit einer Behinderung.
Seit dem 7. Oktober 2023 wurden im Gazastreifen mehr als 46.707 Menschen getötet, wobei die tatsächliche Zahl der Todesopfer vermutlich viel höher ist, da Tausende von Menschen unter den Trümmern zerstörter Häuser, Krankenhäuser und Schulen begraben sind. Lebensmittel, Wasser, sichere Unterkünfte, medizinische Versorgung und andere lebenswichtige Dinge sind nach den Angriffen auf die zivile Infrastruktur ein hoffnungsloser Mangel. Die Massnahmen müssen über die unmittelbare Beendigung der Gewalt hinausgehen. Um diese lebenswichtigen Bedürfnisse zu befriedigen, ist ein sofortiger und ungehinderter humanitärer Zugang zu allen Gebieten des Gazastreifens von entscheidender Bedeutung.
Wiederaufbau und psychosoziale Unterstützung
Das Ausmass der Krise im Gazastreifen hat Kinder und ihre Familien vor verheerende Herausforderungen gestellt. Die Zerstörung von Häusern, Infrastruktur, Krankenhäusern, Schulen und wichtigen Einrichtungen durch das israelische Militär hat den Gazastreifen in einen unbewohnbaren Zustand versetzt. Die wenigen verbliebenen Krankenhäuser sind nur teilweise funktionsfähig, deutlich unterbesetzt, mit kritischen Patienten überfüllt und die medizinische Versorgung ist schlecht, so dass die Kinder dem Risiko unbehandelter Verletzungen, vermeidbarer Krankheiten, langfristiger psychischer und psychosozialer Beeinträchtigungen und Behinderungen ausgesetzt sind.
Neben der medizinischen Krise bedeutet die Zerstörung von Schulen und die Vertreibung der Zivilbevölkerung, dass unzählige Kinder von ihren Familien, Bezugspersonen und Freunden getrennt sind und keinen Zugang zu Bildung oder sicheren Räumen zum Spielen, Heilen und Lernen haben. Der Wiederaufbau der Bildungsinfrastruktur muss im Mittelpunkt stehen, denn sie bietet nicht nur die Möglichkeit zu lernen, sondern auch einen Weg, diese traumatische Zeit zu bewältigen und zu heilen.
Die vollständige Zerstörung der zivilen Infrastruktur im Gazastreifen hat katastrophale Auswirkungen auf die Palästinenser:innen. Insbesondere die Zerstörung der Wasser- und Abwassersysteme hat dazu geführt, dass Kinder besonders anfällig für lebensbedrohliche, durch Wasser übertragene Krankheiten wie Durchfall und Cholera sind. Die Wiederherstellung des Zugangs zu sauberem Wasser und sanitären Einrichtungen muss oberste Priorität haben, um weitere gesundheitliche Notlagen und den vermeidbaren Tod Tausender von Kindern zu verhindern.
Ebenso wichtig ist die Notwendigkeit einer sofortigen und umfassenden Unterstützung der psychischen Gesundheit. Viele Kinder im Gazastreifen, darunter Tausende von Waisenkindern oder von ihren Eltern getrennte Kinder, haben über 15 Monate lang extreme Gewalt erlebt oder miterlebt. Die psychosozialen Dienste müssen sofort ausgeweitet werden, um den Kindern zu helfen, sich von den psychologischen Narben der schrecklichen Feindseligkeiten zu erholen. Kinder, die Explosionsverletzungen und Behinderungen durch Granatsplitter, Verbrennungen und herabgestürzte Gebäude erlitten haben und keine überlebenden Familienangehörigen haben, benötigen besondere Aufmerksamkeit.
Dauerhafte Stabilität ist gefordert
Die internationale Gemeinschaft muss den unmittelbaren humanitären Bedürfnissen der palästinensischen Kinder und ihrer Familien Vorrang einräumen. Der Waffenstillstand ist zwar ein wichtiger erster Schritt, aber die Bedürfnisse der Kinder im Gazastreifen werden nicht verschwinden, sobald die Feindseligkeiten eingestellt werden. Die internationale Gemeinschaft muss sich zusammentun, um den Gazastreifen zu unterstützen und sicherzustellen, dass die Rechte der Kinder auf Gesundheit, Bildung und Sicherheit Vorrang haben. Diese Bemühungen müssen Teil eines umfassenderen Engagements für Frieden, Gerechtigkeit und dauerhafte Stabilität sein.
Alle zivilen Geiseln in Gaza müssen unverzüglich freigelassen werden. Wir erneuern auch unsere Forderung nach der sofortigen Freilassung aller Kinder, die von den israelischen Streitkräften entführt oder festgehalten wurden, und nach einer vollständigen und unparteiischen Untersuchung der Bedingungen, denen sie in den Gefangenenlagern ausgesetzt waren.
Plan International fordert alle Regierungen, internationalen Organisationen und humanitären Organisationen auf, den Bedürfnissen der Kinder in Gaza Priorität einzuräumen. Wir fordern weiterhin alle Regierungen auf, den Transfer von Waffen, Teilen und Munition einzustellen, solange die Gefahr besteht, dass sie für Verstösse gegen das humanitäre Völkerrecht oder die Menschenrechte verwendet werden.
Das Überleben und die Zukunft der palästinensischen Kinder im Gazastreifen hängen von unserem unverzüglichen kollektiven Handeln und der Befriedigung ihrer humanitären Bedürfnisse ab und sind ein wesentlicher Schritt zur Schaffung eines dauerhaften und gerechten Friedens in der Region.