Nepal ist nach wie vor eine stark patriarchalisch geprägte Gesellschaft. Der Zugang von Mädchen und Frauen zu sozialer, wirtschaftlicher und politischer Einflussnahme ist begrenzt und sie sind schädlichen sozialen Normen und Praktiken ausgesetzt. Doch immer mehr Mädchen und junge Frauen wehren sich und schliessen sich in Frauengruppen- und kooperativen zusammen. Tara ist eine davon. Das ist ihre Geschichte.
"Hallo, ich bin Tara, 30-jährig und lebe mit meinem Mann und zwei Kindern in Pipaltari, Parbat. Es ist eine abgelegene Gegend. Ich habe geheiratet, als ich 17 Jahre alt war. Eigentlich wollte ich es nicht, aber ich habe dem Druck meiner Eltern nachgegeben. Zu dieser Zeit hatte ich gerade die Schule abgeschlossen. Einmal verheiratet, hatte ich keine Möglichkeit mehr, mein Studium fortzusetzen. Ich war in der Hausarbeit gefangen. Ich wollte etwas aus meinem Leben machen, konnte es aber nicht.
Glücklicherweise stiess ich auf ein Projekt zur Förderung von jungen Frauen in meiner Heimatstadt. Das Projekt hatte zum Ziel, junge Frauen durch Schulungen und Aufklärung über geschlechtsspezifische Gewalt, Kinderheirat und soziale Diskriminierung zu befähigen, selber über die Angelegenheiten, die uns betreffen, zu entscheiden. Ich war begeistert, als ich von dem Projekt hörte. Es war eine grosse Chance für mich, mich gemeinsam mit den anderen Frauen zu engagieren. Also entschied ich mich, der Pipaltari-Gruppe für junge Frauen beizutreten. Als ich Mitglied der Gruppe war, nahm ich an verschiedenen Schulungen teil, die mir halfen, mein Selbstvertrauen und meine Fähigkeiten zu stärken. Ich lernte sehr viel und wurde die Präsidentin der Gruppe.
Ein steiniger Weg
Später ging mein Mann nach Indien, um dort zu arbeiten. Die Belastung zu Hause wurde grösser. Neben der familiären Verantwortung musste ich auch die jungen Frauengruppen unterstützen. Es war sehr schwierig, die Zeit einzuteilen. Ich wollte die Gruppe weiterführen. Deshalb bin ich morgens immer früh aufgestanden und habe alle Hausarbeiten erledigt, bevor die Sonne aufging.
Nach und nach konnten wir ein ganzes Frauennetzwerk bilden, das auch andere Gruppen einlud. Ich beteiligte mich an allen Gruppenaktivitäten und dem Netzwerk mit vollem Einsatz. Einige meiner Verwandten waren mit der Arbeit, die ich tat, nicht zufrieden. Sie schrien mich immer an, ich solle die Gruppe verlassen. Sie sagten sogar, ich würde meine Zeit verschwenden. Aber ich hörte überhaupt nicht auf sie. Es war eine harte Zeit für mich. Ich dachte, ich muss hart arbeiten, um meinen Traum zu erfüllen. Wie immer wachte ich früh am Morgen auf und erledigte die Hausarbeit.
Von der Frauengruppe zur Kooperative mit Kapital
Danach beschlossen wir, eine von jungen Frauen geführte Kooperative zu gründen. Am Anfang, als wir unseren Plan in der Gemeinde vorstellten, lachten uns einige Leute aus. Sie haben nicht an uns geglaubt. Wir haben uns jedoch mit allen Beteiligten abgestimmt, beraten und dann beschlossen, eine Spar- und Kreditgenossenschaft zu gründen. Zu Beginn waren wir 30 Mitglieder und hatten ein Kapital von 40.000 nepalesischen Rupien (ca. 310 Schweizer Franken).
ENPRED Nepal (Partnerorganisation von Plan International) unterstützte unser Projekt und stellte uns fünf Computer zur Verfügung. Das lokale Regierungsbüro gab uns kostenlos Computerschulungen, einen Raum und Strom. Das half uns, unsere Kooperativen zu betreiben. Ausserdem hatten wir die Gelegenheit, andere Kooperativen zu besuchen, um von ihnen und deren Führungspersonen zu lernen. Durch den Austausch wurde uns klar, dass wir hart für den Fortbestand der Kooperative arbeiten müssen, egal wer uns unterstützt. Heute verfügen wir über insgesamt 1.200.000 Rupien (ca. 9300 Schweizer Franken) Genossenschaftskapital. Wir haben soziale Aktivitäten durchgeführt, um junge Mädchen und Frauen in unserer Gemeinde zu unterstützen. Aufgrund unserer harten Arbeit respektieren und unterstützen uns alle in der Familie und der Gesellschaft.
Ein Leuchten in den Augen
Jetzt bin ich 30. Ich möchte mein Studium fortsetzen. Mein Mann ist auch wieder zu Hause. Ich spüre, dass dies die richtige Zeit für mich ist, um meinen Traum zu erfüllen. Ich wurde in der 11. Klasse aufgenommen. Ich habe eine sehr glückliche Familie, meine Schwiegereltern haben auch begonnen, mich zu unterstützen, sie scheinen in diesen Tagen glücklich zu sein. Ich habe ein regelmässiges Einkommen, um meine Familie zu unterstützen. Ich baue Gemüse an, habe Ziegen und eine Geflügelzucht.
Ich werde weiterhin in der Kooperative tätig sein. Sie hat mir Hoffnung auf eine bessere Zukunft gegeben. Nicht nur mir: Ich sehe ein Leuchten in den Augen von Hunderten von jungen Mädchen und jungen Frauen in unserer Gemeinde."